Unsere Ordnungshüter

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sepp
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Unsere Ordnungshüter

Beitrag von sepp » 10. Dez 2003, 20:45

Presseerklärung anlässlich des Bundesligaspiels Eintracht Frankfurt - Hannover 96 (06.12.2003)
Sehr geehrte Damen und Herren,

rund um das o.g. Bundesligaspiel wurde die Menschenwürde von Fußballfans mit Füßen getreten, wie es aus hannoverscher Sicht bis dato noch nicht erlebt worden ist. Aus diesem Grund erhalten Sie diese Presseerklärung vom 96-Fanmagazin "Notbremse", das es seit fast sieben Jahren gibt und das zu den auflagenstärksten und bekanntesten Fanmagazinen bundesweit gehört.

Zum Nikolaustag gab es die Rute. So muss es jedenfalls den 96-Fans ergangen sein, die ihrer Mannschaft zum Auswärtsspiel nach Frankfurt folgten. Knüppelhart schikanierten Polizei und Bundesgrenzschutz die schwarz-weiß-grüne Anhängerschaft an dem nasskalten Fußballnachmittag. Ein Großaufgebot seitens der Staatsmacht wurde zwar erwartet, weil es in den vergangenen beiden Begegnungen zwischen Eintracht Frankfurt und Hannover 96 zu Ausschreitungen gekommen war, doch die Einsatztaktik vom 6. Dezember stieß allgemein auf Unverständnis.

Schon während der Hinfahrt im Sonderzug reagierten die Ordnungshüter ungewöhnlich schroff. Das Öffnen der Fenster wurde verboten, jegliche Diskussionsversuche wurden im Keim erstickt. Dennoch blieb die Stimmung der mitreisenden Fußballfreunde gelassen und ruhig. Bei der Ankunft im Frankfurter Hauptbahnhof zeigte sich das erwartete Bild. Eine Wand aus Polizisten verhinderte jegliches Ausgliedern aus der Gruppe und schleuste die 96er in die Busse. Diese Aktion war gut organisiert und wurde von den Fans ohne Murren akzeptiert. Erstes größeres Kopfschütteln verursachten jedoch die Einlasskontrollen. Das Mitbringen von Trommeln und Fahnen war untersagt. Elemente, die zum beliebten Stimmungsmachen auf den Rängen der Stadien gehören und keinerlei Gewalt schüren, waren am Main nicht erlaubt. Eigentlich hätte sich zu diesem Zeitpunkt bereits die Wut der Besuchern aufstauen müssen, sie blieben trotzdem gelassen. Ein vielgereister Fan erlebt die kuriosesten Verbote im Zwei-Wochen-Rhythmus.

Während der mäßigen 90 Minuten deutete nichts auf eine Wiederholung der Vorfälle der Saison 2001/02 hin. Es gab sogar kaum Anti-Parolen zu hören. Die Fanblöcke lieferten sich ein eher langweiliges Gesangsduell. Nach dem Abpfiff holten jedoch die Polizisten den Knüppel aus dem Sack. Vor der mehr als vierstündigen Heimfahrt durften sich die Hannoveraner nicht mit Lebensmitteln versorgen, sondern sollten möglichst ohne Verzögerung in den Zug steigen. Einzelnen Personen gelang es dennoch, Getränke und Essen zu kaufen. "Keine Dosen und Flaschen in den Zug", hieß es dann seitens der massiv auftretenden Polizei. Auch ein Döner wurde als gefährliches Wurfgeschoss identifiziert. Solche Anordnungen hätten per Flugblatt oder Megaphon schon Vorfeld mitgeteilt worden können, bei der Hinfahrt gab es diese Probleme nicht. So freute sich die Frankfurter Bahnhofsreinigung über zahlreiche Freigetränke. Oder sollte mit dem Einsammeln der Bierflaschen etwa die anstehende Weihnachtsfeier der Einheit kostengünstig organisiert werden?

Es blieb den Fahrgästen keine andere Möglichkeit, als wenigstens einen Teil der Lebensmittel auf dem Bahnsteig zu verzehren. Weitestgehend friedlich protestierten die Fans gegen die unwürdigen Anordnungen. Polizei und BGS dagegen reagierten aber immer aggressiver und schoben die Leute mit Gewalt in die Abteile. Der Begriff "Deeskalation" schien den hessischen Beamten gänzlich unbekannt zu sein. Mit martialischem Auftreten und arroganter Unnahbarkeit wollten sie die Situation bestimmen. Alles und jeder wurde kontrolliert. Selbst in einem Kinderwagen wurden Bierflaschen vermutet. Die junge Mutter hatte dabei nicht einmal vor nach Hannover zu reisen, sie wollte in den Regionalexpress nach Limburg, der sich im selben Gleis befand. Immer mehr zeigten sich daraufhin die Niedersachsen entsetzt über das Vorgehen der hessischen Staatsdiener. Erstaunlich, dass sich der hannoversche Mob weiterhin trotz aller Einschränkungen beherrschte. Zu kleinlaut sind die Fußballfreunde inzwischen durch überzogene Strafverfahren geworden. Die Angst vor einem Stadionverbot schwebt immer im Hinterkopf, wenn die Polizei die Stadionbesucher begleitet. Während der Fahrt bereiteten die entnervten Fans ihrem Ärger mit gezielten aber keineswegs beleidigenden Hohn- und Spottliedern Luft. Vergebens wartete der BGS auf verbale Entgleisungen. Die Not macht vorsichtig und kreativ. Weil es nichts zum Anzeigen gab, wurde der Schlagstock geschwungen. Eine Polonaise, die zu einem Fanzug wie der Fahrschein gehört, wurde mit Hieben und Strafandrohungen abgebrochen. Blauen Flecke sind eine bleibende Erinnerung. Das Aufsuchen der Toiletten durfte als Gnadegeschenk empfunden werden. Mit breitem Kreuz verriegelte der Grenzschutz die Türen. Es wäre interessant, einmal das Filmmaterial sichten zu können, was bei der Heimreise entstand. Kameramänner in grün zeichneten jegliche Bewegungen der Passagiere auf.

Die Fanszene zeigt sich über das Vorgehen der Staatsdiener erschüttert und fühlt sich in den Persönlichkeitsrechten massiv verletzt. Die Maßnahmen waren weder nach dem Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HGSO) noch nach dem Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz (NGefAG) zulässig, insbesondere wurden der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie die korrekte Ermessensausübung (jeweils §§ 4 und 5) grob verletzt. Zur Verbesserung der traditionell gestörten Verhältnis zwischen Stadionbesucher und Ordnungshüter hat der Nikolaustag nicht beigetragen. Auch wenn Hannover Anhängerschaft gewiss nicht nur aus zahmen Engeln besteht und ihr zeitweilig ein schlechter Ruf vorauseilte, hat sie diese Behandlung nicht verdient. Es bleibt rätselhaft, wie ein solches vollkommen unverhältnismäßiges Vorgehen in Einklang zu bringen sein soll mit der WM 2006, die doch unter dem Motto steht "Die Welt zu Gast bei Freunden". Sollen z.B. englische oder türkische Fans auf gleiche Art und Weise menschenunwürdig behandelt werden?

Weitere Informationen über die Geschehnisse rund um das Bundesligaspiel Eintracht Frankfurt - Hannover 96 können Sie bei uns erfragen oder der Homepage http://www.das-fanmagazin.de entnehmen.


Mit freundlichen Grüßen

Redaktion Notbremse
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